Donnerstag, 29. Mai 2014

12. Wir werden Millionäre….

 
Im Jahre 1948 wurde mein Mann mit 22 Jahren aus englischer Kriegsgefangenschaft in ein total zerbombtes, zerstörtes Hamburg entlassen. Er stand vor einem Nichts. Sein Vater war kurz vorher mit seiner argentinischen Frau nach Argentinien ausgewandert und hatte seinem Sohn eine komplette Klempnerwerkstatt hinterlassen.

Aber um sie zu eröffnen, benötigte mein Mann den Meistertitel.  Doch er hatte weder eine Gesellenprüfung, noch einen Meistertitel.  Um dieses nachzuholen, brauchte er wenigstens 5 Jahre. Es herrschte  große Arbeitslosigkeit und es war schwer, eine Lehrstelle zu finden. Die Berufsschule arbeitete, doch er brauchte auch die praktische Ausbildung. Er musste oft die Arbeitsstelle wechseln, weil einfach keine Arbeit mehr da war.

In dieser Zeit heirateten wir. Es war die Zeit der Damenwahl in kleinen Tanzlokalen, die Zeit in der Kanada, Australien und auch Argentinien in Zeitschriften und im Radio um Fachkräfte warben. Wir hörten Schlager wie: „Unter den Pinien von Argentinien“, oder  vom „Mond über der Hacienda“.

General Peron war in den Zeitschriften abgebildet mit seiner schönen Frau, die so prächtiges blondes Haar hatte. Es wurde von diesem sonnigen Land berichtet, von den Gauchos, von Reiterspielen, Folklore,  von üppigen Asados (Grill)  und vom Leben auf den Estancias (großen Farmen). Das müsste  ja ein herrliches Land sein!

Da kam mein Schwiegervater für einige Wochen aus Argentinien auf Urlaub. Er sah blendend aus, braun gebrannt, in einem tollen Anzug, im Gegensatz zu uns, die wir immer noch alte, ausgebesserte Klamotten trugen. Er bot uns an, auch nach Argentinien zu kommen. Da brauche man keinen Meistertitel, da gilt nur die eigene Tüchtigkeit. Wir waren überzeugt, dass wir die hatten,  und sagten zu.

Es dauerte noch zwei Jahre bis wir alles  Nötige zusammen hatten. Das Schwierigste war eine Arbeitsbescheinigung in Argentinien. Der Arbeitsplatz musste 100 km von Buenos Aires entfernt sein. Wir bekamen sie durch einen Bekannten meines Schwiegervaters und zwar auf einer Estancia (Farm)  in Mercedes. Wir sind nie da gewesen. ..

Im Januar 1954 ging dann unsere große Reise los. Wir verabschiedeten uns von Freunden und Familie in Hamburg und gelobten:

„In 5 Jahren sind wir wieder da, als Millionäre!“  Das schafften wir natürlich nicht, weder die 5 Jahre,  noch die Million….

Wir hatten in all den Jahren so manche harte Nuss zu knacken, aber wir sind in unserer neuen Heimat glücklich und zufrieden geworden.

Gerda Schwarz

Nach 50 Jahren....



Sohn















                                
und Tochter mit Nachkommenschaft heute.....




Montag, 26. Mai 2014

11. Orchideen in Misiones


Mein Großvater stammte aus „Stübig“, einem kleinen Ort im Frankenland. Daher stammt sein und damit auch mein Familienname.


Er war passionierter Gärtner von Beruf, aber als er nach dem ersten Weltkrieg verletzt aus Belgien zurückkehrte, fand er seine Gewächshäuser und seine geliebte Gärtnerei völlig zerstört vor. Es gab damals natürlich auch keinen Bedarf an Blumen und Gartenanlagen.

Ein Freund von ihm, der nach Argentinien ausgewandert war, in Misiones Orchideen züchtete und eine Teeplantage besaß, überredete ihn, ebenfalls nach Argentinien auszuwandern.

Orchideen waren früher eine Rarität und wurden nach Europa exportiert. Das alles interessierte meinen Großvater außerordentlich, und er musste auch noch genug Geld besessen haben, denn er nahm im Jahre 1923 seinen sämtlichen Hausrat mit, fuhr mit Frau und Kindern nach Argentinien und kaufte sich gleich ein Haus in Florida, einem Vorort von Buenos Aires.

 Er ist dann doch nicht nach Misiones gegangen, denn er bekam  sofort in Buenos Aires eine gute Anstellung von der Stadtverwaltung  für „Parques y Jardines“  (Park- und Gartenanlagen). Sein erstes Projekt war einer der bedeutendsten Plätze in Buenos Aires, „Plaza Constitución“.

Nachdem meine Großmutter, die offenbar nicht sehr gesund war, sehr früh verstarb, ging mein Vater als 17 jähriger wieder zurück nach Deutschland. Aber er war wohl schon sehr argentinisch geworden,  fühlte sich nicht mehr wohl in der alten Heimat und ging wieder nach Argentinien zurück. Er bekam eine gute Arbeit und heiratete  meine Mutter, die mit der „Cap Arcona“ aus Deutschland gekommen war.

Als junges Ehepaar sind meine Eltern zunächst in Gordoy-Cruz /Mendoza ansässig gewesen, aber weil meine Mutter die ständigen Erdbeben nicht mehr ertragen konnte, zogen sie nach Buenos Aires.

Ihre letzten Lebensjahre verbrachten sie in ihrem Sommerhaus in Villa Gesell.


Meine Großeltern, mein Vater une mein Onkel

Ich selbst bin als Erwachsene wieder von Argentinien nach Deutschland gezogen und werde wohl auch hier bleiben.

Meine Großmutter











Olga Stübig,  Essen, Nordrhein-Westfalen
            


Mit dem „Sulki“ (Einspänner)  in Florida

            














Freitag, 23. Mai 2014

10. Britische Briefzensur

Horst, mein späterer Ehemann, war schon 1923 als kleines Kind mit  Eltern und Schwester von Oldenburg nach Brasilien ausgewandert. Dort war es zu heiß, darum  ging es  nach Uruguay, und als  die Schwester, frisch verheiratet, nach Argentinien zog,  kamen Mutter und Sohn nach. 


Horst bekam nach einer Banklehre gleich eine Anstellung in der Presseabteilung der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. Das war schon mitten im 2. Weltkrieg.

Im Juli 1944 brach Argentinien die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland ab und die Botschaftsangestellten wurden ausgewiesen. Auf dem gleichen Diplomaten-Transport-Schiff befand sich auch Horsts Chef, Bernhard von Wolfersdorff,  mit seiner Familie, darunter auch die dreijährige Tochter Renate, die jetzt als unsere treue Freundin in Villa Gesell mit zu unserer Singgruppe gehört. Das Leben bietet  seltsame Zufälle!

Der Transport endete erst einmal für mehrere Monate in Portugal und erst kurz nach Kriegsende wurden die Ausgewiesenen  entweder in England interniert oder in das zerstörte und hungernde Deutschland  gebracht.

Ich hatte vorläufig  nichts damit zu tun.  Der Krieg war vorbei, ich hatte gerade eine Ausbildung als Lehrerin abgeschlossen, aber normalen Schulbetrieb gab es noch nicht.

Mit meiner Mutter wohnte ich  in Bad Godesberg, als von der Britischen Besatzung in Bonn junge Leute für die „Briefzensur“ gesucht wurden. Ich meldete mich für diese „Schnüffelarbeit“, denn es gab dort ein tolles Mittagessen  und zwei Scheiben Weißbrot mit Corned Beef, die ich meiner Mutter am Abend mitbringen konnte.

Zufällig hatte es aber auch Horst dahin verschlagen! Er war für Spanisch zuständig und wir mussten ihn fragen, wenn unsere Briefe in spanischer Sprache abgefasst waren. 

So lernten wir uns kennen und er fiel mir auf, weil er keine abgetragenen Uniformteile trug, wie die meisten der männlichen Angestellten dort, und ich seine sterile deutsche Ausdrucksweise keiner deutschen Landschaft zuordnen konnte. 
Und Argentinien? Das war interessant für mich!

Wir heirateten 1948 und Horst wollte natürlich sofort nach Argentinien zurück, aber wie? Pässe oder Ausreisepapiere bekamen wir nicht.

Horst versuchte es dann über Frankreich als Minenarbeiter. Wir warteten in Nordfrankreich lange Monate und ich war bereits im 6. Monat schwanger, als wir im Juni 1950 endlich bei einem dubiosen Vermittler für Horsts goldene Uhr  die ersehnten Papiere erhielten.  Aber waren die echt und  gültig? Wir zweifelten bis zuletzt!

Erst als sich in Le Havre die Schiffsmotoren der „Yapeyú“ in Bewegung setzten und  das Schiff sich vom Kai wegbewegte, waren wir wirklich erleichtert.

Rosemarie Mueller-Wortmann

Jung vermählt

Mittwoch, 21. Mai 2014

09. Ohne Papiere

Eine Freundin aus meinem Heimatort Eden, die jetzt in Oberstdorf lebt, erinnert sich in ihrer Kindheit an die
jüdische  Nachbarfamilie Wolff.

Sie denkt dabei noch an den Abend, als  der Sohn Paul zu ihnen kam, um sich zu verabschieden.  Das war 1939. Er wollte eins der Schiffe nehmen, die illegal jüdische Auswanderer nach Südamerika brachten. Sein Bruder war schon vorher nach Brasilien abgefahren.

Paul Wolff kannte die Familie Hennig aus Eden, die aus familiären Gründen nach Argentinien gekommen war und suchte sie in Buenos Aires auf. 

Er hatte ja keine Papiere und keine Arbeitsmöglichkeit und so  rieten ihm die Bekannten, zunächst in die Dünen zu Don Carlos Gesell zu gehen, wo er dann auch blieb.

Nach dem Krieg konnte ihm der Bruder von Doña Emilia, Don Carlos Frau, die nötigen Papiere besorgen.

So war Argentinien seine Heimat geworden, bis er später, zunächst widerstrebend, doch zurück nach Deutschland ging, wo Jahre vorher seine Eltern und seine Schwester  ihr Haus in Richtung Osten hatten verlassen müssen  und auf Nimmerwiedersehen verschwunden sind.

Paul Wolff war uns hier stets ein lieber Freund.

Dietlinde Tomys

Zeichnung: Gerda Schwarz

Paul Wolff in Villa Gesell

Montag, 19. Mai 2014

08. Aufbau einer Hanfspinnerei


 Ja, warum Argentinien? Um diese Frage zu beantworten kann ich nur berichten:
 
Im Jahre 1950 sind meine Eltern mit mir, ihrer 15 jährigen Tochter von Deutschland nach Argentinien ausgewandert, um für uns drei eine heile Zukunft aufzubauen.

Der zweite Weltkrieg hatte unsere Existenz in Deutschland zerstört.

Mein Vater war als Kriegsgefangener von den Russen nach Sibirien verschleppt worden und kam ein Jahr später an Körper und Seele erkrankt von dort zurück.

Mein Vater war Maschinenbauingenieur.
Vier Jahre später hat er Kontakt mit einem alten Bekannten aufgenommen, der schon in Argentinien lebte.

Durch diese Vermittlung bekam mein Vater einen Kontrakt in Argentinien, um eine Hanfspinnerei aufzubauen. Wir konnten unseren ganzen Haushalt unentgeltlich mitbringen.

Man hatte uns versprochen, ein Haus auf dem Fabrikgelände zu bauen, welches natürlich bei unserer Ankunft in Argentinien noch lange nicht fertig war..

Aber wir sind  geblieben. Später habe ich hier geheiratet und eine große Familie gegründet.


Karin Diercksen de Eder


Meine Eltern und ich während der Überfahrt 1950 von Deutschland nach Argentinien
auf der „Christian Scheid“






Samstag, 17. Mai 2014

07. Der Hahn im Korbe


Meinen Mann, Carlos, habe ich im Jahre 1966 im Hause meiner Schwester in Stuttgart bei einer Gartenparty kennengelernt. Meine Schwester Irene war mit seinem ältesten Bruder verheiratet und Carlos war zu Besuch in Deutschland.

Er machte einen Hammel am Spieß und hatte eine Menge Leute dazu eingeladen, ich war dabei und er bat mich, ob ich ihm beim Zubereiten  helfen könnte.

Damals war er „der Hahn im Korbe“ und wurde von allen Frauen angehimmelt, denn er war braungebrannt, charmant, ein wundervoller Gastgeber und kam von sooo weit her, von Argentinien!

Nach der Festlichkeit war meine Schwester müde und ich half Carlos in der Küche. Wir saßen noch bei einer Tasse Kaffee zusammen bis 3 Uhr morgens und er erzählte mir von Land und Leuten in Argentinien.
Er war ein Kavalier, gab mir einen Kuss auf die Wange, als ich sagte: "Jetzt geh' ich aber schlafen." und für mich war damit die Sache erledigt. Für ihn aber nicht. Am nächsten Tag  fragte er meine Schwester nach mir und sie gab ihm meine Adresse.

Und es kam, wie es kommen musste, ich reiste nach Argentinien.

Carlos veranstalte ein großes Fest, um mich, seine Verlobte, in Villa Gesell seinen Freunden vorzustellen.
Die Hochzeit war für den 31. Dezember 1967 geplant. Carlos war 13 Jahre älter als ich, schon ein
langjähriger Junggeselle und ich erst 23.


Mein ruhiges routinierteres Leben  als Notariatsangestellte in Stuttgart hatte ein Ende gefunden.

Langweilig wurde mein Leben mit Carlos  nicht!




T. B. ,  Vancouver, Canada

Donnerstag, 15. Mai 2014

06. Dank Eva Peron…

Hanni Kirsch erzählt:

„Meine Eltern wurden 1946 aus dem Sudetenland nach Bayern vertrieben,  wir wohnten dort einige Jahre beengt und geduldet mit unseren Verwandten in einem kleinen Ort und arbeiteten auf dem Land und dann in einer Weberei.

Die Lebensverhältnisse waren damals hart, aber das Leben ging weiter. Ich lernte meinen Mann kennen, der ein noch schlimmeres Schicksal hinter sich hatte. Er war nach 4jähriger  russischer Gefangenschaft als heimatloser Vertriebener aus Böhmen-Mähren auch nach Bayern gekommen, wo wir beide bis zur Auswanderung zusammen in der Weberei arbeiteten. Wir heirateten und bekamen zwei Kinder.

Jeder versuchte damals, irgendwohin auszuwandern, um ein neues Leben zu beginnen.

Einem Onkel von uns gelang das. Er war schon 1912 nach Argentinien ausgewandert, wollte 1939 Deutschland besuchen, aber  der Krieg hatte seine Rückreise nach Argentinien verhindert.  
Eine Aktion von  Eva Peron in Argentinien verschaffte ihm im Jahre  1949 die Rückreise, und er wollte uns alle nachholen.

Unsere Devise war: Entweder wir alle oder keiner von uns. Und wir waren 11 verwandte Personen!

Mein Onkel besaß in der Nähe von Grl. Madariaga eine große Obstplantage und ein Elektrizitätswerk. Dort gab es für uns alle Arbeit genug und er konnte uns auch die Reisekosten vorstrecken.

1953 war es soweit. Unser Sohn war 23 Monate  und unsere Tochter 8 Monate alt, als wir die große Reise auf der „Alberto Dodero“ nach Argentinien unternahmen.

Dort mussten wir zwar schwer arbeiten, um die Schulden abzuzahlen, aber schon 1956  konnten wir uns sogar ein großes Grundstück in Villa Gesell, nicht weit von Grl. Madariaga, kaufen!

Doch davon habe ich schon in der ersten Serie des Blogs, Nr. 44 und Nr. 56 erzählt…..“


Hanni Kirsch


Alberto Dodero