Sonntag, 2. November 2014

59. Auf zur fernen Tante ohne Butterbrote

Müden an der Mosel
Ich bin 1940 in einem idyllischen Ort, Müden an der Mosel, geboren.


Alles war schön an diesem Winzerort,  es herrschte ständig gute Laune und immer gab es was zu feiern.  Zu Hause wurde viel gesungen und, wie es sich  für einen streng katholischen Ort ziemt, auch viel gebetet.




Mein Geburtshaus, meine Familie und ich
Eine meiner ersten Erinnerungen ist, ich muss ungefähr 3 Jahre alt gewesen sein, war folgende:
Da hieß es, die Amerikaner ziehen ein!

An allen Häusern hingen weiße Laken an den Fenstern. Dann ratterten Panzer und Lastwagen durch das Dorf. Bei uns mussten sie Halt machen, da die Straße zu eng war.


Plötzlich war ich auf dem Arm von einem ganz schwarzen Soldaten, der freundlich seine schneeweißen Zähne zeigte und ganz ganz lieb zu mir war, seine Kameraden wollten mich auch auf dem Arm haben, aber ich wollte nur zu meiner Mama!!

Zum Trost gaben sie mir eine wunderschöne Orange, deren Duft mir immer noch in der Nase  steckt.  Ja, heute weiß ich, dass die amerikanischen Soldaten Sehnsucht nach ihren eigenen Kinder und der Familie hatten!

Der Krieg war zu Ende, die Männer waren vermisst oder an der Front gestorben.
In unserem Haus blieben mein betagter Opa und meine Mama mit mir.

Von den Männern kam keiner zurück. Man wartete umsonst.

Als mein Opa starb, entschloss sich meine Mama mit mir nach Argentinien auszuwandern.
Dort lebte eine Schwester von ihr,  die dort verheiratet und, wie man so sagt, sehr gut situiert war.
Diese Schwester von meiner Mama, also meine Tante, war 20 Jahre älter als meine Mutter und kinderlos, sie hätte also meine Oma sein können und spielte später eine große Rolle in meinem Leben.

Ich war 9 Jahre alt, als es so weit war. Große Aufregung im Ort.
Ich bin die fünfte in der zweiten Reihe von unten
Erstkommunion


Meine Schulfreunde fantasierten nur noch von dem Wort "AMERIKA"  Jeder wollte mehr wissen oder einen guten Ratschlag geben.
So wie zum Beispiel: „Für eine soooo  lange Reise musst du aber viele Butterbrote mitnehmen!“




Ohne Butterbrote starteten wir 1950 mit dem argentinischen Schiff „Córdoba“ nach Argentinien.
In Buenos Aires angekommen, erwarteten uns freudig Tante und Onkel.

Fortsetzung folgt


Rita Schmitz          Zeichnung: Gerda Schwarz





Mittwoch, 29. Oktober 2014

58. Nur ein kleines Beben

San Antonio
 3. Wir fanden eine Übernachtungsmöglichkeit in einem kleinen Gehöft, gebaut aus Adobe und ausgestattet mit handgewebten Decken und sogar einer „Badestube“. Zu essen gab es auch, denn ein kleiner Krämerladen gehörte  dazu. Es wurde sogar nach unseren Wünschen gefragt und unter allergrößten Bemühungen der „Patrona“ und ihrer Enkelin auch erfüllt. Hätte ich gewusst, wieviel Mühe die Beschaffung von Milch für sie bedeutete, hätte ich bestimmt darauf verzichtet.

Nach der im Auto verbrachten kalten Nacht krochen wir am Nachmittag in die Betten und plötzlich fing es an zu wackeln. Ich dachte zuerst, dass es noch Reise-Nachwirkungen wären. Dann stellte sich aber schnell heraus, dass es sich um ein Erdbeben handelte.  Natürlich liefen wir auf die Straße, aber die Aufregung der Menschen hielt sich in Grenzen, denn kleine Beben sind dort in der Höhe mehr oder weniger an der Tagesordnung.




Am Abend gab es eine Dankprozession und damit war das Kapitel abgeschlossen.




Mehr Kopfzerbrechen machten sich die Leute um die „Ufos“ die jede Nacht am Himmel erschienen.  Was es damit auf sich hatte, weiß ich nicht. Aber es stimmt, dass in der Nacht immer wieder große leuchtende Kugeln am Himmel zu sehen waren. In dieser Höhe erschienen sie einem sehr nahe und unheimlich.




Von größeren Erkundungsfahrten hatten wir erst einmal genug und deshalb fuhren wir auf einer gut befestigten Straße in Richtung Salta und von dort weiter nach Santiago de Estero.

 Hier wurden wir dauernd von Polizei oder Militär angehalten und registriert. Angeblich weil man lange durch unbewohntes Gebiet fahren musste und im Falle einer Panne festgestellt werden konnte, ob man auf der Strecke liegen geblieben sei.
Santiago del Estero

Dieser Landstrich war unheimlich heiß und staubig und auffallend war, dass das Wasser  sehr salzig schmeckte.

Weil meine Urlaubszeit nur begrenzt war, mussten wir dann auf dem direkten Weg nach Buenos Aires. zurück.

Eine Reise, die mir nun wieder in die Erinnerung gerückt ist. Komischerweise sind es mehr die kleinen unwichtigen Begebenheiten am Rande, als an beeindruckende besichtigungswerte Dinge, die geblieben sind.  Aber jeder reist ja auf andere Weise und jeder auf seine.

Rita Turnsec

Zeichnung: Gerda Schwarz

Sonntag, 26. Oktober 2014

57. Über den Pass

2. Unter stets größer werdender Mühe fuhren wir weiter. Es ging natürlich immer nur bergauf, der Weg wurde enger, die Kurven ebenso und irgendwann passte  der Chevrolet mit seiner Größe nicht mehr um die Kurven. Riskante Manöver verboten sich von allein, denn die Wahl, die wir hatten, war nicht sehr ermutigend: Entweder am Berg entlangschrappen oder mehrere zig-Meter in den Abgrund abrutschen.


So wurde jede Kurve eine Zitterpartie. In vielen kleinen Vor- und Zurücksetzungen, wobei beim Zurücksetzen kurz vor dem Abgrund immer ein dicker Stein vor die Räder platziert werden musste.  Dicke Steine gab es genug, nur ging uns in der ständig zunehmenden Höhe so langsam die Luft aus. Außerdem waren wir durstig, hungrig und auch schon ein bisschen mutlos.

Plötzlich tauchte vor uns ein Pferd auf, das an einem Strauch befestigt war. Hier musste es doch Menschen geben. Wir machten uns laut bemerkbar und wagten es, durch das Gebüsch zu gehen.

Dahinter stand eine Hütte und heraus kam eine Frau in mittleren Jahren. Wir fragten, ob sie uns etwas Essbares verkaufen könne, z.B. Brot, Wurst, egal was, und natürlich, ob wir Wasser haben könnten. Sie konnte uns nichts verkaufen, außer 5 oder 6 Eiern, die sie für uns noch hart kochte. Zum weiteren Weg befragt, sagte sie, dass es immer weiter aufwärts ginge, bis zur Passhöhe.

Diese Frau und der kleine Junge waren die einzigen Menschen, die uns im Laufe dieses langen Tages begegneten.

Die Schufterei in den Kurven ging weiter und als es dunkel geworden war, trauten wir uns nicht mehr weiter. Inzwischen war es lausekalt geworden und ein bisschen Höhenkrankheit hatte uns auch erwischt.

Die nächtlich an unserem Auto vorbeistreichenden Tiere interessierten uns nur insofern, dass wir hofften, dass  kein Puma dabei war, der unsere häufigen kurzen notwendigen Ausflüge in die Landschaft beobachtete.

Sobald die Sonne aufgegangen war wurden wir aktiv. Das Auto hatte inzwischen den Geist aufgegeben, weil wohl das Kühlwasser eingefroren war. Also machte ich mich einfach zu Fuß auf den Weg mit der Überlegung, dass eine „Ruta 40“ irgendwann ja wohl in einem bewohnten Ort ankommen muss. Aber kaum war ich 300 oder 400 m gegangen, hatte ich ein Schild vor mir. Auf diesem stand, dass wir die Passhöhe des Akay, von 4 895, m erreicht hätten.

Mühsam machte ich den Weg zurück. Unglaublich wie wenig Kraft man in dieser Höhe aufbringen kann. Selbst lautes Rufen ist unmöglich.

Na, inzwischen war das Auto wieder startklar gemacht worden. Wir schoben und drückten den Wagen die letzten Meter bis zur Spitze und dann ging es nur noch bergab. Langsam, aber stetig.


In der Mittagszeit kamen wir in „San Antonio de los Cobres“ an. Damals ein kleiner Ort, fast ausschließlich von Indios bewohnt, und die konnten sich nur bekreuzigen, wenn wir sagten, dass wir über den Pass gekommen waren.

Was uns dort alles hätte passieren können. Die Puna (Höhenkrankheit), ein Absturz, ein Puma und nicht zuletzt die „Dama blanca“ (weiße Dame), die dort ihr Unwesen treibt.

Glücklicherweise hat uns davon nichts erwischt, trotzdem waren wir fix und fertig und wir mussten uns erst einmal erholen.

Ende folgt

Rita Turnsec  
Zeichnung: Gerda Schwarz

Mittwoch, 22. Oktober 2014

56. Eine Fahrt ins Nichts


1. Als ich 1973 abermals Argentinien besuchte, stand wieder eine größere Reise innerhalb des Landes zur Debatte. Wieder sollte es in den Norden gehen.  Allerdings mit einem ganz anderen Landschaftsbild als ich es in Misiones kennengelernt hatte.

Von Buenos Aires aus ging es zunächst in Richtung Córdoba, wo wir eine mehrtägige Pause machten und in der Umgebung in den kleinen Bächen und Wasserfällen herumplanschten. Eigentlich war es mir dort aber zu „deutsch“, ich wollte „Fremdes“ kennenlernen.

Deshalb ging die Reise weiter nördlich nach Tucumán. Hier gab es viel zu entdecken. Die  Ausgrabungen aus der Prä-Inka-Zeit, die Höhlenmalereien und die trockene, steinige Berglandschaft. Dazwischen immer wieder winzige Ansiedlungen und plötzlich irgendwo im Nichts eine Schule, wobei man sich fragen musste, wo wohl die Kinder herkommen, die diese besuchen würden.

Wie wir dann zunächst nach Cafayate kamen, ist mir völlig entfallen. Ich weiß nur noch, dass  die Stadt sehr hübsch angelegt und sehr heiß  war. Die Straßen waren für damalige argentinische Verhältnisse ausgezeichnet, und so ging es schon bald weiter zur nächsten Etappe. Cachi hieß der kleine Ort, den wir ansteuerten. Urgemütlich, eine kleine Kirche, ganz aus Kaktusholz gebaut, ein winziges Hotel mit typischer Küche und leckerem Wein.



Ich meine mich zu erinnern, dass wir, um dort hinzukommen, durch das Valle Calchaquís fuhren. Die Straße nannte sich „Ruta 40“ und war recht gut ausgebaut. Das änderte sich aber schon recht bald. Es ging weiter auf  Schotterpiste und durch Geröll und zu beiden Seiten unwirtliche, schroffe Berge. Heiß war es und wir erhofften, bald  eine Ansiedlung zu finden, um ein paar Lebensmittel zu kaufen oder in ein Restaurant zu kommen.


Irgendwo im Nirgendwo stand plötzlich ein kleiner Indiojunge am Straßenrand und wir fragten ihn nach einem Dorf, nein es gäbe keines. Wo er denn wohne….

„da…., weit weg…“ Das war alles was man aus ihm herausbekam.

Plötzlich aber fasste er wohl allen Mut zusammen und fragte, ob wir “Galletitas“ (Kekse) hätten. Nein, die hatten wir nicht, das war ja unser Problem im Moment!

Wir wollten ihm ein bisschen Geld geben. Aber das wollte er nicht. Was sollte er  auch in dieser Einsamkeit damit anfangen? Galletitas waren sein Traum.

Fortsetzung folgt



Rita Turnsec

Zeichnung: Gerda Schwarz

Sonntag, 19. Oktober 2014

55. Ein ganz besonderer Einwanderer

Über die Einwanderung  des europäischen gewöhnlichen Sperlings, oder auch Spatz genannt, nach Argentinien gibt es verschiedene Versionen.

Die eine besagt, dass der berühmte argentinische Ex-Präsident Domingo Faustino Sarmiento, von einer seiner Reisen nach Europa Mitte des 18. Jahrhunderts, den „Gorrión“ (Sperling) mitgebracht hätte.


Eine andere erzählt, dass der gewöhnliche europäische Spatz etwa 1870 auf einem Segelschiff von Liverpool nach Argentinien importiert wurde.

Die netteste, und auch am besten belegte Geschichte ist die, dass im Jahre 1871 der später gut bekannte deutsch-elsässische Bierproduzent Baron Emilio Bieckert, als er zum ersten Mal argentinischen Boden betrat, einige Käfige voller Sperlinge aus Deutschland  mitgeführt hatte, aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht sollten sie ihm hier  gleich ein bisschen Heimat vermitteln.















Doch bei der Ankunft im Hafen von Buenos Aires  sollte  Emilio Bieckert  eine Zollgebühr für die Vögel bezahlen, was ihm lächerlich vorkam für so gewöhnlichen Spatzen, die keinen Pfennig wert waren.


Er wollte nicht weiter darüber diskutieren, öffnete die Käfigtüren und ließ die Spatzen, die sich sogar auf der Reise vermehrt hatten, einfach fliegen!

Die Spatzen fanden in der neuen Welt genügend Futter, Nistplätze,  ein gutes Leben und wurden immer mehr, und heute stehen sie in Konkurrenz zu den hiesigen Spatzen, den „Chingolos“, aber für beide ist ja genügend Platz und Futter in Argentinien vorhanden.




Und doch gibt es einen Tango, der die Deplatzierung des „Chingolo“ durch den Sperling beweint:


"Ya no cantas chingolo, donde habrás ido a parar…“

Du singst nicht mehr, Chingolo, wo bist du geblieben?

     

Rosemarie Mueller-Wortmann         Zeichnung: Gerda Schwarz

Mittwoch, 15. Oktober 2014

54. Heimkehr

2. Erst nach drei Jahren, 1947, hatte unsere Odyssee in Portugal ein Ende. Ein guter Freund der Familie setzte sich in Buenos Aires für unsere Rückkehr ein und bezahlte auch die Passagen. Mein Vater war ja noch als Gefangener in England.

In Buenos Aires musste sich meine Mutter natürlich sofort um unseren Lebensunterhalt kümmern, bekam eine Stelle als Sekretärin und lernte abends noch fleißig Schreibmaschine und Stenographie.

Wir vier Kinder wurden verteilt. Mein Bruder Hans kam nach Baradero, ein Internat für Jungen. und
Familie Dobel nahm meinen Bruder Wolf in Pflege.

Wir zwei kleinen Mädchen wurden im deutschen Maria-Luisen-Kinderheim untergebracht.

Dort hatte ich es, als Ältere, gar nicht so leicht, denn schon als kleines Kind lernte ich gewisse  Hausarbeiten zu erledigen.




Mein Vater nach der Heimkehr
Eines Tages stand mein Vater  vor mir, ein unbekannter Mann im langen Regenmantel und Hut, den sonst keiner mehr trug. 7 Jahre hatte ich ihn nicht gesehen. Es war für mich ein fremder Mann, aber trotzdem gab es sofort eine große Zuneigung.

Mit Hilfe katholischer Geistlicher war mein Vater aus dem Gefangenenlager in England nach Deutschland geflohen, wurde zuerst in einem Kloster versteckt  und  ist dann über die berühmt-berüchtigte „Rattenlinie“ wieder zurück nach Argentinien geschickt worden. Als ehemaliger führender Botschaftsangehöriger des Dritten Reiches hätte er für längere Zeit keine Ausreisepapiere erhalten.

Meine Mutter hatte zuerst  bei ihrer früheren Köchin drei Zimmer in einem Haus in Banfield bekommen, bis mein Vater eine Anstellung fand und ein Haus in Olivos, einem Vorort im Norden von Buenos Aires,  mieten konnte.

Nun war die Familie hier wieder vollzählig, aber ein schwerer Schicksalsschlag traf uns dann durch den Tod meines vierzehnjährigen Bruders Hans bei einem Jagdunfall.

Als meine Mutter, noch relativ jung,  nach schwerer Krankheit starb, war ich 15 Jahre alt und musste lernen, mein eigenes Leben zu meistern.





Renata von Wolfersdorff

Zeichnung: Gerda Schwarz





Sonntag, 12. Oktober 2014

53. Goldi

1. Das war mein Vater. Er wurde  so genannt, weil er blendend aussah, gute Manieren hatte, sehr anziehend  in seinem Charakter  und deshalb überall beliebt war. Außerdem trug er den stolzen Namen einer alten adeligen Familie, deren Stammsitz ursprünglich in Sachsen war und deren Stammbaum bis ins 6.  Jahrhundert reicht.
Goldi




1932 kam mein Vater mit 22 Jahren nach Argentinien. Warum? In einer Kadettenanstalt erzogen, hatte er genug vom Militär und  folgte dem Ruf seiner Schwester, die bereits in Argentinien lebte  und ihn lockte mit der Devise:
 „Hier  ist ein Land, wo Milch und Honig fließt“.




Das war aber zuerst gar nicht so, und um ein bisschen Taschengeld zu verdienen, musste er sich kurzfristig sogar  einen kleinen Bauchladen umhängen und  Bürsten verkaufen.


 Aber bald bekam er eine Anstellung bei der Schifffahrtslinie „Dodero“, wo  Gottfried Sandstede diesen attraktiven jungen Mann für die Deutsche Botschaft entdeckte. Dort arbeitete er in der Presseabteilung und es ging ihm bald ausgezeichnet. Er trat überall gut auf und wurde vor allem im Deutschen Reitverein sehr bekannt.

Irmela
Meine Mutter,  Irmela Ivens, wollte eigentlich  Schauspielerin werden und kam mit 18 Jahren und einer Tanzgruppe nach Buenos Aires. Die Familie Nieburger behütete das junge Mädchen,  und als meine Mutter sich als Schwimmlehrerin betätigte, lernte sie meinen Vater kennen.

Es war Liebe auf den ersten Blick und die Hochzeit  fand am 24. Dezember 1933 statt.

Zwei Söhne wurden ihnen geboren und dann  1942 ein Mädchen. Das war ich.

Ich war zwei Jahre alt, als im Juli 1944 die diplomatischen Beziehungen Argentiniens zu Deutschland abgebrochen wurden und unsere ganze Familie zusammen mit allen anderen Botschaftsangehörigen auf der „Rio Jachal“ Richtung Europa ausgewiesen wurde.

Die „Äquatortaufe“ fand am 22. Juli statt und auch ich bekam eine Urkunde. Mehr als 60 Jahre später lernte ich hier in Villa Gesell zufällig den ehemaligen ersten Offizier der „Rio Jachal“, Francisco Reinoso,  kennen, der meine Urkunde damals unterschrieben hatte,  und der mir erzählte, dass auf keiner Reise so viel Alkohol geflossen und es so fröhlich zugegangen sei, wie auf diesem Diplomatentransport…
Die Angst vor der  ungewissen Zukunft in Deutschland im Jahre 1944 hatte dabei wohl eine Rolle gespielt.

Doch in Lissabon war die Fahrt dann plötzlich zu Ende. Die Kriegslage erlaubte keine Weiterreise.
Mit dem Zug wurden wir alle von Lissabon nach Curía, einem portugiesischen Thermalbadeort,  gebracht und wohnten vorläufig in verschiedenen Hotels. Keiner wusste, wie es weitergehen sollte.  Dort wurde auch meine Schwester Jutta geboren.
Curía in Portuga
Nach über 9 Monaten, der Krieg war gerade zu Ende gegangen, wurde mein Vater zusammen mit einigen anderen Leidensgenossen  auf  dem schwedischen Schiff „Drottningholm“ nach England verfrachtet und  dort interniert.

Meine Mutter mit den vier Kindern blieb in Portugal und musste  wie die anderen Frauen mit Stricken, Nähen und anderen Beschäftigungen für einen bescheidenen Unterhalt für sich und ihre vier Kinder  sorgen.


Renata von Wolfersdorff

Zeichnung: Gerda Schwarz