Onkel Otto lieferte in meiner Kindheit oft Stoff für Familiengespräche und, obwohl das
meist unter vorgehaltener Hand geschah, war das aber gerade deshalb für uns Kinder so besonders interessant. Für
den hundertprozentigen Wahrheitsgehalt kann ich leider auch nicht garantieren,
aber im Großen und Ganzen muss es sich wohl so abgespielt haben und war bei ja meiner Geburt schon längst Geschichte.
Mein Onkel Otto, 1879 in Westfalen geboren, stammte aus der
ersten Ehe meines Großvaters und war sehr viel älter als mein Vater.
Er erhielt eine gute kaufmännische Ausbildung und wurde schon in
jungen Jahren als Angestellter einer wichtigen deutschen Ex-Importfirma
nach Buenos Aires geschickt. Der ehrgeizige und tüchtige Otto machte dort schnell
Karriere und verlobte sich mit der Tochter seines Chefs.
Aber, wie das Leben manchmal die ausgefallensten Romane
schreibt, verlief alles ganz anders.
Er gewann bei dem gleichen
Losverkäufer zweimal hintereinander das große Los, zusammen eine
gewaltige Summe, und war plötzlich steinreich. Er kündigte daraufhin seine gute
Anstellung, verließ die Braut und lebte einige Jahre in Saus und Braus, bis
nichts mehr übrig blieb.
Bei einem letzten Versuch, noch einmal neu anzufangen, bat
er in Montevideo eine Tänzerin um die Beleihung der wertvollen Perlenkette, die
er ihr einmal geschenkt hatte. Sie lachte ihn aus. Er schoss sie an und sich
tot.
Das ist die
die Saga von meinem Onkel Otto, nach dessen plötzlichen Tod die Familie, die
ihn immer noch in großem Reichtum wähnte und von ihm auch bisher großzügig bedacht worden war, vergeblich auf das märchenhafte Erbe
wartete….
Rosemarie Mueller-Wortmann
Zeichnung: Gerda Schwarz
Onkel Otto um 1905 |
Tolle Geschichte! Ob man noch schriftliche Nachrichten der damaligen Zeit darueber findet?
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