Wir haben von Nachkriegsschicksalen
gehört, von Verfolgten und Vertriebenen, aber auch von denen, die aus Liebe
kamen oder sich einfach eine neue Heimat suchen wollten.
Doch da gibt es auch die Geschichte eines Mannes, der zwischen den beiden großen
Kriegen völlig ungeplant in Argentinien buchstäblich „gestrandet“ ist.
Dieses einmalige Abenteuer habe ich vor langer Zeit aus
seinem eigenen Mund gehört und ich hoffe, seine Enkel akzeptieren die Version,
wie ich sie noch in Erinnerung habe, und die mich damals so fasziniert hat.
Der Grund war der Untergang der „Monte Cervantes“, eines
deutschen Schiffes, das 1930 bei Ushuaia kenterte und wenig später versank. Man
nannte das Ereignis damals auch „Titanic
Südamerikas“, wobei es aber zum Glück nur
ein einziges Todesopfer gab, nämlich der Kapitän und das durch einen Unfall.
Es muss so um 1960 gewesen sein, wir waren bei unserem Freund und Zahnarzt Dr.
Franz Lienemann zu Gast und sein Vater, der wenig später verstarb, erzählte
seine eigene Geschichte.
Er stammte aus Leipzig, war Geiger und gehörte damals zur
Musikkapelle der „Monte Cervantes“, eines der ersten modernen
„Kreuzfahrschiffe“. Es war ein Passagierschiff der Hamburg Südamerikanischen
Dampfschifffahrts-Gesellschaft.
Mit etwa 1200 Passagieren und 350 Besatzungsmitgliedern an
Bord lief es in der Nähe von Ushuaia auf einen Felsen auf und begann zu sinken.
Vater Lienemann erzählte, er habe nur einen Pyjama unter dem Mantel getragen,
als er zusammen mit anderen Schiffbrüchigen in Rettungsbooten an das nahe Land
gesetzt wurde. Dort mussten sie über
Stock und Stein klettern, und kamen dann nach Ushuaia.
Damals hatte der Ort aber selbst nur etwa 800 Einwohner und
ein Gefängnis. Die vielen Schiffbrüchigen waren eine wahre Herausforderung für
die kleine Stadt, aber alle halfen, wie sie konnten, selbst die Gefangenen
sollen ihre eigenen Decken zur Verfügung gestellt haben.
Nachdem Vater Lienemann nach Buenos Aires gebracht worden war,
gefiel es ihm dort so gut, dass er Frau und Sohn aus Deutschland kommen ließ. Er
arbeitete weiter als Musiker in der Metropole, wie später ebenso sein Sohn sich
das Studium mit Schifferklavierspielen auf deutschen Festen verdiente.
Den Bericht des
Lotsen, oder zweiten Kapitäns der „Monte Cervantes“, Rudolf Hepe, habe
ich von seinem Enkel mit dem gleichen Namen freundlicherweise zur Verfügung
gestellt bekommen, und er wird eine großartige und fachliche Ergänzung dieser Geschichte sein und anschließend folgen.
Rosemarie Mueller-Wortmann
Zeichnung: Gerda Schwarz
Und nach 82 Jahren passiert sowas auch noch
AntwortenLöschenhttps://www.youtube.com/watch?v=SxIky2cG7t8