Sonntag, 12. Oktober 2014

53. Goldi

1. Das war mein Vater. Er wurde  so genannt, weil er blendend aussah, gute Manieren hatte, sehr anziehend  in seinem Charakter  und deshalb überall beliebt war. Außerdem trug er den stolzen Namen einer alten adeligen Familie, deren Stammsitz ursprünglich in Sachsen war und deren Stammbaum bis ins 6.  Jahrhundert reicht.
Goldi




1932 kam mein Vater mit 22 Jahren nach Argentinien. Warum? In einer Kadettenanstalt erzogen, hatte er genug vom Militär und  folgte dem Ruf seiner Schwester, die bereits in Argentinien lebte  und ihn lockte mit der Devise:
 „Hier  ist ein Land, wo Milch und Honig fließt“.




Das war aber zuerst gar nicht so, und um ein bisschen Taschengeld zu verdienen, musste er sich kurzfristig sogar  einen kleinen Bauchladen umhängen und  Bürsten verkaufen.


 Aber bald bekam er eine Anstellung bei der Schifffahrtslinie „Dodero“, wo  Gottfried Sandstede diesen attraktiven jungen Mann für die Deutsche Botschaft entdeckte. Dort arbeitete er in der Presseabteilung und es ging ihm bald ausgezeichnet. Er trat überall gut auf und wurde vor allem im Deutschen Reitverein sehr bekannt.

Irmela
Meine Mutter,  Irmela Ivens, wollte eigentlich  Schauspielerin werden und kam mit 18 Jahren und einer Tanzgruppe nach Buenos Aires. Die Familie Nieburger behütete das junge Mädchen,  und als meine Mutter sich als Schwimmlehrerin betätigte, lernte sie meinen Vater kennen.

Es war Liebe auf den ersten Blick und die Hochzeit  fand am 24. Dezember 1933 statt.

Zwei Söhne wurden ihnen geboren und dann  1942 ein Mädchen. Das war ich.

Ich war zwei Jahre alt, als im Juli 1944 die diplomatischen Beziehungen Argentiniens zu Deutschland abgebrochen wurden und unsere ganze Familie zusammen mit allen anderen Botschaftsangehörigen auf der „Rio Jachal“ Richtung Europa ausgewiesen wurde.

Die „Äquatortaufe“ fand am 22. Juli statt und auch ich bekam eine Urkunde. Mehr als 60 Jahre später lernte ich hier in Villa Gesell zufällig den ehemaligen ersten Offizier der „Rio Jachal“, Francisco Reinoso,  kennen, der meine Urkunde damals unterschrieben hatte,  und der mir erzählte, dass auf keiner Reise so viel Alkohol geflossen und es so fröhlich zugegangen sei, wie auf diesem Diplomatentransport…
Die Angst vor der  ungewissen Zukunft in Deutschland im Jahre 1944 hatte dabei wohl eine Rolle gespielt.

Doch in Lissabon war die Fahrt dann plötzlich zu Ende. Die Kriegslage erlaubte keine Weiterreise.
Mit dem Zug wurden wir alle von Lissabon nach Curía, einem portugiesischen Thermalbadeort,  gebracht und wohnten vorläufig in verschiedenen Hotels. Keiner wusste, wie es weitergehen sollte.  Dort wurde auch meine Schwester Jutta geboren.
Curía in Portuga
Nach über 9 Monaten, der Krieg war gerade zu Ende gegangen, wurde mein Vater zusammen mit einigen anderen Leidensgenossen  auf  dem schwedischen Schiff „Drottningholm“ nach England verfrachtet und  dort interniert.

Meine Mutter mit den vier Kindern blieb in Portugal und musste  wie die anderen Frauen mit Stricken, Nähen und anderen Beschäftigungen für einen bescheidenen Unterhalt für sich und ihre vier Kinder  sorgen.


Renata von Wolfersdorff

Zeichnung: Gerda Schwarz

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