So sah es 1947 bei uns in Essen aus
Aber trotz allem, wir lebten ganz normal weiter. Das hört sich komisch an, war
aber so. Denn bei allen war es das Gleiche: Hunger, schlecht gekleidet, wenig Geld,
nichts zu kaufen, Schwierigkeiten zu reisen, aber…der Krieg war zu Ende, ganz
langsam wurden die Straßen vom Schutt befreit und wenig später begann sogar
zaghaft auch wieder ein prekäres kulturelles Leben.
Dann geschah im Hebst 1947 bei uns etwas sehr Wichtiges:
Eines Tages hielt gegen Mittag vor unserem Haus ein weißes Rote-Kreuz-Auto.
Meine Tante Lotte kam aus Buenos Aires als Präsidentin des „Comités
de Damas Alemanas, auxiliar de la Cruz Roja Argentina“ und besuchte uns
zum Erstaunen der ganzen Nachbarschaft ganz offiziell.
Sie war die Schwester meines Vaters, die vor dem Krieg einen
Argentinier geheiratet hatte und bereits Witwe war. Ich kannte sie persönlich
gar nicht und war fasziniert von ihren rotgemalten Fingernägeln und dem
blondgefärbten Haar. Zu dieser Zeit war sie zu einem offiziellen Besuch in der
Schweiz.
Sie machte meinen Eltern den Vorschlag, mich für ein Jahr
nach Argentinien mitzunehmen, um das Land kennen- und gleichzeitig die Sprache
zu lernen.
Mein Vater unterstützte den Vorschlag und sagte zu
mir: „Ich kann hier in Deutschland
nichts mehr für dich tun und glaube nicht, dass wir noch einmal aus dieser
Katastrophe herauskommen! Hier gibt es wenig Zukunft für dich, vielleicht ist
das eine Chance. Und wenn es dir nicht gefällt, kommst du wieder zurück!“
Daraufhin habe ich in den Vorschlag eingewilligt, denn
so begeistert war ich anfangs gar nicht davon. Ich tröstete mich aber mit dem
Gedanken: Ich kann ja nach einem Jahr zurückfahren.
Das überzeugte mich und dann begann ein endloser
Papierkrieg. Am Ende bekam ich eine offizielle Einladung aus der Schweiz unter dem Motto: „Hilfe für unterernährte
deutsche Jugendliche“.
Doch zuerst bestand
ich noch in Essen die „Reifeprüfung“ an der Oberschule, das deutsche Abitur,
und am 9. März 1948 fuhr ich nach Luzern ab, mit noch nicht ganz 20 Jahren.
Es gab einen traurigen Abschied für mich und meine Eltern,
aber mein Trost war:
Es ist ja nur für 1 Jahr! Dachte ich….
Tante Lotte und ich |
Am 25. April 1948 flog ich von Genf ab nach Buenos Aires ab
und das blieb bis heute mein „Zuhause“.
Ruth Hiebel
Zeichnung: Gerda S.
Zeichnung: Gerda S.
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