Freitag, 23. Mai 2014

10. Britische Briefzensur

Horst, mein späterer Ehemann, war schon 1923 als kleines Kind mit  Eltern und Schwester von Oldenburg nach Brasilien ausgewandert. Dort war es zu heiß, darum  ging es  nach Uruguay, und als  die Schwester, frisch verheiratet, nach Argentinien zog,  kamen Mutter und Sohn nach. 


Horst bekam nach einer Banklehre gleich eine Anstellung in der Presseabteilung der Deutschen Botschaft in Buenos Aires. Das war schon mitten im 2. Weltkrieg.

Im Juli 1944 brach Argentinien die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland ab und die Botschaftsangestellten wurden ausgewiesen. Auf dem gleichen Diplomaten-Transport-Schiff befand sich auch Horsts Chef, Bernhard von Wolfersdorff,  mit seiner Familie, darunter auch die dreijährige Tochter Renate, die jetzt als unsere treue Freundin in Villa Gesell mit zu unserer Singgruppe gehört. Das Leben bietet  seltsame Zufälle!

Der Transport endete erst einmal für mehrere Monate in Portugal und erst kurz nach Kriegsende wurden die Ausgewiesenen  entweder in England interniert oder in das zerstörte und hungernde Deutschland  gebracht.

Ich hatte vorläufig  nichts damit zu tun.  Der Krieg war vorbei, ich hatte gerade eine Ausbildung als Lehrerin abgeschlossen, aber normalen Schulbetrieb gab es noch nicht.

Mit meiner Mutter wohnte ich  in Bad Godesberg, als von der Britischen Besatzung in Bonn junge Leute für die „Briefzensur“ gesucht wurden. Ich meldete mich für diese „Schnüffelarbeit“, denn es gab dort ein tolles Mittagessen  und zwei Scheiben Weißbrot mit Corned Beef, die ich meiner Mutter am Abend mitbringen konnte.

Zufällig hatte es aber auch Horst dahin verschlagen! Er war für Spanisch zuständig und wir mussten ihn fragen, wenn unsere Briefe in spanischer Sprache abgefasst waren. 

So lernten wir uns kennen und er fiel mir auf, weil er keine abgetragenen Uniformteile trug, wie die meisten der männlichen Angestellten dort, und ich seine sterile deutsche Ausdrucksweise keiner deutschen Landschaft zuordnen konnte. 
Und Argentinien? Das war interessant für mich!

Wir heirateten 1948 und Horst wollte natürlich sofort nach Argentinien zurück, aber wie? Pässe oder Ausreisepapiere bekamen wir nicht.

Horst versuchte es dann über Frankreich als Minenarbeiter. Wir warteten in Nordfrankreich lange Monate und ich war bereits im 6. Monat schwanger, als wir im Juni 1950 endlich bei einem dubiosen Vermittler für Horsts goldene Uhr  die ersehnten Papiere erhielten.  Aber waren die echt und  gültig? Wir zweifelten bis zuletzt!

Erst als sich in Le Havre die Schiffsmotoren der „Yapeyú“ in Bewegung setzten und  das Schiff sich vom Kai wegbewegte, waren wir wirklich erleichtert.

Rosemarie Mueller-Wortmann

Jung vermählt

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