Unser Heino, der beste und älteste Freund von meinem Mann, Horst,
war in jeder Beziehung ein Unikum. 1909 in Haiti geboren, war sein Vater
Deutscher, die Mutter Haitianerin. Zuerst starb sehr früh der Vater, dann auch
die Mutter. Schon mit 12 Jahren wurde der Junge ohne deutsche Sprachkenntnisse
von Haiti nach Deutschland geschickt und
von seinem dort lebenden, viel älteren Bruder in einer Kadettenanstalt
interniert, ein Trauma für sein ganzes Leben.
Einmalig war auch sein ungewöhnlich langer Name: Heinrich,
Otto, Adam, Sigismund von Heydebrand und der Lasa, (die Vornamen vielleicht in einer anderen Reihenfolge), aber
Vor und Nachnamen standen alle in seinem Pass und bei den vielen Reisen, die
wir gemeinsam unternommen haben, unter anderem auch in seine Heimat Haiti mit
mehreren Halts in süd-und mittelamerikanischen Ländern, war Heino die meiste
Reisezeit damit beschäftigt, seine Namen auf irgendwelchen Papieren, wo
natürlich stets der Platz fehlte, mühsam einzutragen.
Heino, von der einen Seite aus uraltem Adel, auf der anderen
Seite Kreolen, Mulatten und, wie er sicher wusste und oft erwähnte, auch
Seeräuber im Stammbaum, sympathisierte in Deutschland zuerst ein bisschen mit den Nazis und dem
Militär, aber da sein Äußeres nun nicht dem germanischen Ideal entsprach, nutzte er ihm gebotene Beziehungen
aus, ging in diplomatischen Außendienst und wurde nach Argentinien geschickt.
Dort arbeitete er während des Krieges in der Spionageabteilung und erzählte
später oft launig, wie er nächtlich mühsam und heimlich „feindliche Nachrichten“
dechiffrierte und übermittelte, die am Morgen groß in der Zeitung standen und
jeder lesen konnte.
In der Botschaft lernten sich die beiden Freunde kennen und
wurden im Juli 1944 gemeinsam aus Argentinien ausgewiesen, in Portugal bis zum Kriegsende
festgehalten und dann nach Deutschland geschafft. Jeder suchte danach auf seine
Weise schleunigst wieder nach Argentinien zu kommen. Aber Ausreisepapiere gab
es für Ex-Botschaftsangestellte
natürlich nicht.
Unabhängig
voneinander probierten sie dann den Weg über die grüne Grenze nach
Belgien, wo in der Argentinischen
Botschaft Einreisepapieren, Passagen und Garantien hinterlegt worden waren.
Horst gelang es nicht, er wurde geschnappt, und nach ein paar Tagen in einem belgischen
Gefängnis, wieder zurückgeschickt.
Heino hatte mehr Glück. Mit einem einheimischen Grenzgänger und einer
„geliehenen“ jungen Frau mit Kleinkind überschritt der notorische Junggeselle
bei Nacht und Nebel mit Erfolg die grüne Grenze nach Belgien und konnte von
Antwerpen nach Argentinien fahren. Horst gelang der Umweg über Frankreich erst
2 Jahre später.
In
Argentinien verbrachten wir von Anfang
an keine Ferien und kaum einen Asado-Sonntag
ohne unseren Heino. Die gemeinsam gespielten Skatrunden in unserem Leben kann
man nicht zählen, auch nicht Heinos humorige Sprüche und Anekdoten, die in der Familie immer mal wieder auftauchen
Anfang des Jahres 2002 starb Horst, und Heino, 10 Jahre älter als sein Freund, starb
3 Monate später mit 93 Jahren im Altenheim in Villa Grl. Belgrano/ Córdoba, wo
er seine letzten Jahre verbracht, aber wo es ihm nie gefallen hatte.
Horst und Heino, letztes Foto |
Rosemarie Mueller-Wortmann
Zeichnung: Gerda Schwarz
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