Mittwoch, 6. August 2014

33. Weil Eisenbahn Postkutsche verdrängte


Bernkastel
Nun kommt die Geschichte der „Weidners“, wie meine Großmutter sie nannte.         
Mein Großvater ist in Bernkastel an der Mosel geboren und war mit seinem Erbschaftsanteil nicht zufrieden. Er sollte die Lizenz des Postkutschenvertriebs bekommen in einem Zeitalter, als die moderne Eisenbahn die Postkutsche ablöste.  Und da mein Großvater die Kahnflotte an der Mosel nicht bekam, ließ  er sich auszahlen und wanderte in ein Zukunftsland aus.. nach Argentinien.

Dort kaufte er ein Stück Land am Riachuelo-Fluss, in der Nähe von Buenos Aires, baute einen „saladero“ (Häute- und Lederverarbeitungsbetrieb) auf und brachte die getrockneten Häute mit eigenen Kähnen für den Export  bis zu den Schiffen auf der Reede.

In einer Firma, wo er günstig Felle bekam, lernte  er  Julius Palandt kennen. (siehe Beitrag 30)  Geschäfte haben sie zusammen nicht gemacht, aber Weidner hat Julius Tochter, Berta geheiratet. 1891 kaufte Weidner eine Farm in General Rodriguez,  genau zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Blüte, der  „vacas gordas“ (fetten Kühe) in Argentinien. 

In „La Florida“  wie die Farm hieß, verbrachten die vier Töchter ihre Kindheit. Meine Großeltern haben die Geburt eines Sohnes ewig vermisst. Meine Mutter hieß deshalb Estefanía, weil sie Stefan heißen sollte.

Mein Großvater war Diabetiker und musste zur ärztlichen Behandlung nach Europa. So kamen auch seine unerfahrenen Töchter  nach Europa und er hoffte sehr, dass sie keinem Geldjäger in die Hände fallen würden.

Zuerst lebten sie in Trier, dann in Brüssel. Da erschien der erste Bewerber. Er war ein Angestellter der Deutschen Bank und bewarb sich um die älteste Tochter, Bertita Weidner. Darüber war der  „alte Weidner“ etwas beruhigt, weil einer da war, der  etwas mehr vom Geldgeschäft verstand. 

Der Vater unterrichtete dann seine drei jüngeren Töchter, Trula, Steffi und Mercedes,  wie man mit Schecks umgeht, was sie  auch schnell lernten und bald eigene Wege gingen: Reitstunden Französischstunden, elegante Kleider  und vieles mehr.

Wenn das kein beneidenswert schickes Leben war!
                               
Inge Wiesemann



Zeichnung: Gerda Schwarz

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