Mittwoch, 20. August 2014

38. Rat einer russischen Freundin

                                                                                                                                  
altes Riga 
Ich bin 1924 in Riga, Lettland, geboren, russischer Abstammung von beiden Eltern und gehöre zu der Generation, die in den folgenden Jahren in den Strudel der Wanderbewegung gerissen wurde, die fast die ganze „Alte Welt“ erfasste.

Die Familie meiner Mutter war schon lange vor meiner Geburt aus Russland vor den Bolschewiken nach Riga geflohen. Meine Mutter war Klavierlehrerin und Opernsängerin. In Riga heiratete sie meinen Vater. Er war Mathematiklehrer. Ich hatte nur eine viel ältere Schwester, die sehr jung einen Fabrikanten in Lodz heiratete. 

Auch ich heiratete schon mit 20 Jahren, aber da war bereits Krieg, und Lettland war kurzfristig erst von den Russen, dann von den Deutschen besetzt worden. Mein Mann wurde von den Deutschen als Fallschirmjäger eingezogen und nach Naumburg an der Saale in Deutschland versetzt.

     
Meine orthodoxe Hochzeit in Riga 1944

Dort traf  nach Kriegsende der Rest der Familie wieder zusammen: mein Mann und ich, meine Eltern und meine Schwester, die ihren Mann und ihren kleinen Sohn noch in den letzten Kriegstagen auf der Flucht  in einem Bombenhagel  verloren hatte.
                                
Wir wollten natürlich aus der russisch besetzten Zone Deutschlands nach Westen, was uns durch die Vermittlung eines Verwandten meiner Mutter, eines einflussreichen  russischen Fürsten, zum Glück auch gelang.

In einem DP-Lager für „Displaced persons“ in Westdeutschland, den Namen des Ortes habe ich vergessen, wurden wir gesammelt und von dort nach Liège, (Lüttich), in Belgien transportiert. Dort blieben wir 3 Jahre. Mein Sohn wurde da geboren, mein Vater starb, meine Schwester bekam  Arbeit in einem Kosmetikbetrieb  und ich begann mit Erfolg als „Mannequin“ zu arbeiten, heute würde man sagen, „zu modeln“.
Meine Schwester und ich in Belgien
Bleiben konnten wir in Belgien  allerdings  nicht, unsere Aufenthaltsgenehmigung galt immer nur für 3 Monate. 1948 standen wir vor der Wahl: Nordamerika oder Argentinien. Wieder half uns eine russische Freundin, sie war aus Argentinien und das war die Entscheidung. Sie unterstütze uns auch bei der Abreise mit der „Campana“ aus Genua nach Buenos Aires.

                                          
als Mannequin
als Mannequin für Air France

als Mannequin in Buenos Aires

In Buenos Aires arbeitete ich noch etliche Jahre als Mannequin. Um reisen zu können,  erhielt ich die argentinische Staatsangehörigkeit, aber  in meiner neuen Heimat bin ich  immer Russin geblieben, habe bis ins hohe Alter noch russischen Unterricht erteilt, mein Haus in Villa Gesell heißt in Russisch :





                                                                                                    
        Und mein Hund versteht nur Russisch

                                               
Irina S.  
                                                                                         

Zeichnung: Gerda Schwarz

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